Special: epi.kur


  • Mit dem heutigen Tage präsentieren wir euch voller Stolz das erste Wohnzimmer-Interview, das je von rappers.in geführt wurde. Denn: In den letzten Jahren wurden wir für unsere Interviews schon in viele Wohnzimmer dieses Landes geladen – aber dass sich ein Künstler selbst in unser (!) Wohnzimmer einlädt... DAS hatten wir bisher noch nicht erleben dürfen. So kam es dazu, dass eines schönen Samstagnachmittags ein Münchner Rapper namens epi.kur bei uns auf der Matte stand, sich galant auf die nächste Couch schmiss, Bier trank und Geschichten erzählte. Darüber hinaus hat er uns für euch auch ein Exclusive in die Hand gedrückt – seht und hört selbst!



    rappers.in: Damit wir dich gleich zu Beginn etwas besser kennenlernen: Nenne uns doch drei Musiker, die zusammengemischt deinen Sound ergeben...


    epi.kur: Gute Frage. Ich hätte lieber drei Drogen. Aber das wäre irgendwie auch schwierig. (lacht) Pass auf! Drei Musiker waren das?! Ich würde sagen, Atmosphere kommt drin vor. Und ein Drittel Timbaland. Und ein Drittel Ludacris. Und ein Drittel Tupac.


    rappers.in: Jetzt sind's schon vier Drittel...


    epi.kur: Jetzt sei mal nicht so knauserig.


    rappers.in: Das heißt, unsere User stellen sich nun unter dir einen englischen Rapper vor, der schon halb tot ist, Zöpfe hat, aus den Staaten kommt und natürlich schwarz ist...


    epi.kur: Na, selbstverständlich.


    rappers.in: Trifft das auf dich zu?!


    epi.kur: Also, das mit dem Schwarz – da kann man drüber reden. Aber der Rest nicht, glaub' ich. (Gelächter) Ich kann das wirklich schwer beschreiben... Ich kann dir nur sagen, was mich inspiriert hat. Und das sind schon so diese Namen: Tupac, Ludacris und Atmosphere. Timbaland würd' ich jetzt mal ausklammern. Das Ersatz-Drittel wird also gestrichen.


    rappers.in: Du hast dich ja nach dem Philosophen Epikur benannt. Wann und wie bist du auf diese Idee gekommen? Hattest du irgendeinen besonderen Bezug zu ihm?


    epi.kur: Nein. Also, ich konnte mich schon mit dem, für was er steht, identifizieren. Das war ziemlich früh, ungefähr 2002. Ich bin damals noch zur Schule gegangen und der Sound war auch noch ganz anders. Ich glaub', den Namen würde ich heute vielleicht gar nicht mehr wählen. Aber ich hab' damals was gesucht, was auch gut klingt und was man gut buchstabieren kann, weil ich zu der Zeit noch viel gefreestylet hab'. Deswegen hab' ich den Namen eigentlich gewählt – weniger, weil ich mich jetzt als gedanklichen Nachfolger dieses Philosophen sehe.


    rappers.in: Das ist ja gar nicht mal so lange her. Hattest du davor schon einen anderen Namen?


    epi.kur: Ja, aber davor habe ich auch noch auf Englisch gerappt. Und als ich dann auf Deutsch angefangen hab', habe ich eben auch einen deutschen Namen gesucht. Das war auch mit ein Grund, damals den Namen zu wechseln.


    rappers.in: Du kommst ja aus München, einer Stadt, der oft nachgesagt wird, dass sie keine richtige Rapszene hat. Siehst du das auch so? Und falls ja: Was denkst du, woran das liegen könnte beziehungsweise warum ihr so was nachgesagt wird?


    epi.kur: Also, ich seh' das auch so. Es gibt natürlich eine Hand voll Leute in dieser Stadt, mit denen ich was zu tun hab' und die ich schätze. Und es gibt auch Qualität. Aber es gibt keine Szene, würde ich sagen. Und woran das liegt? München ist halt seit jeher keine Rapstadt gewesen. Ich weiß nicht, so eine Szene, die bildet sich ja auch aus Zirkeln, in denen viel passiert. Und solche Zirkel gab's hier halt nicht. Klar, es gab Blumentopf und Main Concept. Es gab ein paar Ecken, aber es gab keine Zirkel.


    rappers.in: Also definieren für dich solche Zirkel eine Rapszene?


    epi.kur: Ja, schon. Also, ich glaub', so ein reger Austausch wie in anderen Städten war einfach nicht da. Hier gibt's halt nicht so eine ausgeprägte Malerszene, wie in anderen Städten zum Beispiel. Und es ist ja auch oft so, dass die Rapper und die DJs dann noch eher miteinander agieren und dann bilden sich aus alldem eben Cliquen und solche größeren Dinger... Und hier gibt's halt ein paar Leute, die rappen. Deswegen wächst da nichts Großes raus.





    rappers.in: Findest du denn, der Stadt fehlt der Vibe, damit Rap hier richtig Fuß fassen kann?


    epi.kur: Ich glaube ja, so einen Vibe kreiert man sich selber. Eine gewisse Ästhetik gehört vielleicht dazu – aber die kann man auch finden, wenn man sie sucht. Auch in München. Die findet man überall. Ich glaube echt, Nährboden für guten Rap gibt es eigentlich überall.


    rappers.in: Wir haben ein Zitat von dir gefunden. Und zwar: "Ich rappe, um mich hoffentlich irgendwann nicht mehr dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich Rap höre". Inwiefern und vor wem musst du dich denn rechtfertigen?


    epi.kur: Oh. Ich hasse das so, wenn ich Leute treffe, die vielleicht keinen Rap hören oder nicht direkt was mit Rap zu tun haben, und die mich dann fragen, was ich für Musik mache oder höre. Und wenn ich dann sage "Rap", dann hab' ich immer das Bedürfnis, noch einen erklärenden Nebensatz nachzuschieben, wie "Aber nicht so das, was im Radio läuft" oder so... Weil die meisten Leute halt einfach so ein völlig falsches Bild davon haben, was Rap überhaupt ist. Und was Rap für mich ist, können sie sowieso nicht wissen. Und irgendwie hasse ich das, was Rap so anhaftet – dieses machohafte, dumme, dreckige Bild, das immer so mitschwingt für Leute, die nichts von Rap wissen und diesen Begriff hören. Ich hoffe irgendwie, dass Leute das irgendwann checken, dass Rap so viel mehr ist.


    rappers.in: Siehst du denn da schon persönliche Erfolge?


    epi.kur: (lacht) Nee, ich glaube auch nicht, dass die in absehbarer Zeit kommen. Aber so ein bisschen Idealismus muss schon sein...


    rappers.in: Ich bin ja der Meinung, dass sich das Bild von Rap allgemein in der Öffentlichkeit verändert hat und dass die Öffentlichkeit die HipHop-Szene in schwarz-weiß einteilt. Es gibt die guten Rapper und es gibt die bösen Rapper. Die "guten Rapper" sind für Oma und Papa vielleicht Blumentopf oder Kaas. Oder auch Samy, der irgendwas Gemeinnütziges tut. Und die "bösen Rapper" fallen halt dann unter den Tisch. Das ist meine Meinung...


    epi.kur: Ja. Absolut. Aber das kann man den Leuten ja auch irgendwie nicht übelnehmen. Menschen teilen doch irgendwie immer in solche Kategorien ein... Das ist halt irgendwo auch schade, weil Rap eben so viele Facetten hat. Und ich finde, beim Rap gibt es wie bei keiner anderen Musikrichtung diese Scheuklappen auf den Stilrichtungen und Einstellungen – die so viel enger sind als bei anderen Musikrichtungen. Das versteh' ich nicht und ich weiß auch nicht, warum das so sein muss.


    rappers.in: Du bist ja eher US- als Deutschrap-Fan, oder -Kenner. Ich hatte mir das schon so ein bisschen gedacht, aber du hast es ja grad selbst sogar gesagt: Du hast früher auf Englisch gerappt. Wie kam es dazu, dass du auf Deutsch umgestiegen bist? Aus dem einfachen Grund, dass du die Sprache besser beherrschst und verstehst?


    epi.kur: Ja, schon. Ich hab' Englisch, glaub' ich, auch im Endeffekt durch das Rappen gelernt und...


    rappers.in: Ganz kurz: Wie lange hast du denn auf Englisch gerappt?


    epi.kur: Boa, lange! Ich hab ja meinen ersten Text mit 12 geschrieben. Das konnte man natürlich nicht ernsthaft "Rappen" nennen... Und dann bin ich so mit 17 auf Deutsch umgestiegen. Ich hab' eben einfach mal einen deutschen Text geschrieben, um so zu gucken, wie das geht. Und mit der Muttersprache ist das dann eben ein völlig anderes Gefühl. Letztendlich ist es auch das bessere Gefühl. Sicher. Und jetzt rapp' ich ja noch in meiner Band auf Englisch. Die Octopussies haben ihr erstes Album auf Englisch gemacht – das wird beim zweiten jetzt allerdings auch nicht mehr so sein. Und ich mag's schon, es ist aber anders. Und für meine Solomusik, finde ich, ist das Sprachgefühl extrem wichtig. Ich mag die Facetten der deutschen Sprache sehr und mit denen der englischen Sprache kann ich eben nicht ganz so gut spielen...


    rappers.in: Apropos "Facetten der deutschen Sprache": Machst du denn noch etwas anderes außer Rappen? Schreibst du Bücher, Gedichte...?


    epi.kur: Ich schreibe Bücher. (lacht) Ich hab' acht Romane in Arbeit. Aber ich will erst dieses Rapding durchziehen.


    (alle schweigen)


    rappers.in: ...nein!


    epi.kur: Doch. (lacht) Ich hab' acht angefangene Manuskripte.


    rappers.in: Ehm, jetzt wirklich?!


    epi.kur: Nein. Naja, so ein bisschen. Vielleicht. Ich hab' die vage Idee, okay...?! (Gelächter) Also: Doch, ich schreib' schon. Ich hab' leider nie den Nerv, das fertig zu schreiben...


    rappers.in: Was mich interessiert: Mit welchen US-Rappern hast du denn damals angefangen, Rap zu hören? Vor allem, wenn du so auf die Texte abgegangen bist... Die meisten deutschen MCs, die auf Englisch rappen, hören ja auch größtenteils englischsprachigen Rap.


    epi.kur: Ich hab' damals angefangen mit den ganz normalen Standard-Sachen: Tupac, DMX, Ja Rule. Da bin ich halt so reingerutscht. Da war ich genau im richtigen Alter, als das wirklich groß war. Und dann bin ich ziemlich schnell in den Underground reingerutscht – in diese Atmosphere-Sage-Francis-Ecke. Wo dann irgendwann auch der spulige Sound anfängt, den ich dann noch 'ne Zeit gehört hab'. Aber dann bin ich auch wieder davon weg...





    rappers.in: rappers.in rezensiert ja keine fremdsprachigen Rap-Alben. Unter anderem auch aus dem Grund, dass wir glauben, dass einem da als Nicht-Muttersprachler möglicherweise viel an Wortwitz et cetera verloren geht. Findest du das auch?


    epi.kur: Kommt drauf an, wie gut Englisch du kannst. Oder Französisch. Oder wie auch immer.


    rappers.in: Findest du echt?! Zu einer Muttersprache hat man doch eher einen besonderen Bezug. Zum Beispiel zeichnet der sich durch ein ganz anderes Sprachgefühl aus – auch wenn du jetzt beispielsweise sehr gut Englisch sprichst. Selbst wenn du jetzt alles wortwörtlich verstehst, erfasst du die Sache möglicherweise noch mal ganz anders, wenn es sich dabei um deine Muttersprache handelt. Vielleicht auch deswegen, weil du unterschwellige Stimmungen anders wahrnimmst...


    epi.kur: Ja, das mag sein. Das mag vielleicht wirklich sein. Trotzdem höre ich lieber Ami-Rap. (Gelächter)


    rappers.in: Du hast mal gesagt, dass dir im deutschen Rap eine ernste Seite fehlt, die es deiner Meinung nach aber im US-Rap gibt. Wie würdest du sie beschreiben?


    epi.kur: Hm. Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, das was du ganz am Anfang gesagt hast – mit dieser Einteilung in schwarz und weiß. Die gilt auch vielleicht, weil die Deutschen so eine gute Vorlage dafür liefern. Entweder malen sie überstilisierte Happiness-Bilder und alles ist gut und Sonnenschein, oder es ist einfach total belanglos. Und auf der anderen Seite wird gerne, wenn es um Traurigkeit geht, in die typischen Metaphern verfallen. So... Dunkel. Grau. Block. Beton. Das sind so Schlagwörter. Da kann ich 200 runterschreiben und auch ein Album machen. Aber ich weiß nicht – ich setz' mich mit Gefühlen anders auseinander. Es ist nicht alles nur Sonnenschein und es ist nicht alles nur Block und Beton. Das ist klar. Und irgendwo dazwischen liegt für mich die Ernsthaftigkeit, die mir fehlt. Auch mit normalen, alltäglichen Themen so umzugehen, als wären sie was wert – was sie sind. Und das hör' ich selten.


    rappers.in: Und findest du, dass du diese Seite in deinen Tracks rüberbringst? Oder hast du überhaupt den Anspruch, diese Seite mit einzubringen?


    epi.kur: Ich versuch's. Ich versuche, über alltägliche Dinge so zu reden, als wären sie mir wichtig – weil sie es mir sind. Und auch, um so Nuancen-Gefühle. Weil... es ist nicht immer alles auf der Richterskala bei 10. Dein Leben ist nicht nur von Erdbeben und Höhenflügen geprägt. Eigentlich sind es die Zwischenflüge, die kleinen Schwankungen, die den Reiz ausmachen.


    rappers.in: Wo wir gerade bei deinem Anspruch an deine eigene Musik sind – machst du genau den Sound, den du gerne hörst?


    epi.kur: Nee. Es ist oft so, dass ich gute Sachen höre und mir denke: "Das würde ich gerne so machen!" Aber im gleichen Moment denk' ich mir auch, dass ich das nicht so machen kann, weil ich einfach nicht so bin. Aber derjenige, der das dann gemacht hat – der macht das schon verdammt gut. Und so was kann man dann eben auch nicht nachmachen.


    rappers.in: Du hast ja jetzt dein erstes eigenes Album am Start. Kannst du uns erklären, was dabei der rote Faden oder das Leitbild ist – außer, dass es eben "Höchste Zeit" war?


    epi.kur: Das Leitbild. Hm. Das ist schwierig. Ich glaube, das Album ist zu facettenreich, um ein einziges Leitbild zu haben. Und es ist eben auch kein richtiges Konzeptalbum. Es sind so viele verschiedenen Stimmungen. Und dabei wenige extreme Stimmungen, aber viele, die sich so im Bereich meiner Erlebniswelt abspielen.


    rappers.in: Sind das Stimmungen, die sich dann eine ganze Zeit lang angesammelt haben und von denen du dann das Beste rausgesucht und sie in eine plausible Reihenfolge gebracht hast?


    epi.kur: Ich hab' schon am Anfang ein bisschen gesammelt. Als ich dann die Vorstellung hatte, ein Album zu machen, hab' ich dann auch selektiv ein paar Tracks rausgeschmissen und andere hinzugefügt. Ja, es ist einfach so eine Mischung. Aber erst, als ich mir Deadlines gesetzt hatte, wusste ich dann auch, welche Tracks und welche Richtung es sein sollen.


    rappers.in: Neben deinem Album hast du uns ja ein Exclusive mitgebracht: "Ka-Oh". Inwiefern repräsentiert dich dieser Track und warum hast du gerade diesen ausgesucht, um dich vorzustellen?


    epi.kur: Weil: Bei diesem ganzen Philosophen-Geschmarre, das vorher stattgefunden hat, muss man bei Rap auch mal den Schwanz rausholen... (Gelächter)


    rappers.in: Kommen wir zum Ende... Grüße, Liebesschwüre, Lebensweisheiten, Fußball. Fußball?! Fußball! Alles, was du möchtest...


    epi.kur: Fußball?! Ernsthaft: Ich spiel' ab und zu Gemüsefußball mit Shaun das Schaf. Liebesschwüre und Lebensweisheiten? Word.


    rappers.in: Das war's?


    epi.kur: Das war's. Danke euch!



    (Florence Bader & Pauline Staigle)



    ... und hier das Exclusive von epi.kur für rappers.in:


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  • "Ich hasse das so, wenn ich Leute treffe, die vielleicht keinen Rap hören oder nicht direkt was mit Rap zu tun haben, und die mich dann fragen, was ich für Musik mache oder höre. Und wenn ich dann sage "Rap", dann hab' ich immer das Bedürfnis, noch einen erklärenden Nebensatz nachzuschieben, wie "Aber nicht so das, was im Radio läuft" oder so... Weil die meisten Leute halt einfach so ein völlig falsches Bild davon haben, was Rap überhaupt ist. Und was Rap für mich ist, können sie sowieso nicht wissen. Und irgendwie hasse ich das, was Rap so anhaftet – dieses machohafte, dumme, dreckige Bild, das immer so mitschwingt für Leute, die nichts von Rap wissen und diesen Begriff hören. Ich hoffe irgendwie, dass Leute das irgendwann checken, dass Rap so viel mehr ist."



    Der Typ klaut aus meinem Leben :hut:


    Aber cooles Interview, auch wenn der Track meinen persönlichen Geschmack nich trifft....

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