Review: Hiob & Morlockk Dilemma – Apokalypse Jetzt



  • 01. Intro
    02. Apokalypse Jetzt
    03. Bastard Homo sapiens
    04. Müde Augen feat. Asek
    05. Manifest feat. Dj Pro-Zeiko
    06. M.V.H.
    07. Goethe feat. Absztrakkt
    08. Kugeln
    09. Robespierre
    10. Flokatiteppich
    11. Der Funken
    12. Macheten II feat. Ruffkidd
    13. BRD feat. Audio88
    14. Das Haus
    15. Christina feat. Mike Fiction
    16. Steinewerfen
    17. Die Furcht 500
    18. Mutter der Huren
    19. Outro


    "Am sechzehnten Juli werden wir erlöst."
    Mit diesen doch sehr verheißungsvollen Worten endete jedes der Promovideos zu Morlockk Dilemma & Hiobs neuem Kollabo-Album "Apokalypse Jetzt". Ob in diesem Album nun die verzweifelten Heilsgebete der Suchenden erhört werden, oder anerkannte Soteriologen es mit einem müden Lächeln und einer lässigen Handbewegung abtun werden, soll an dieser Stelle offen gelassen werden. Fest steht aber, dass einen der Tonträger über 19 Anspielstationen und eine Dauer von knapp einer Stunde vom immer gleichen vertonten Schwanzvergleich, dem sogenannten "Game", erlöst. Das zeigt sich in den hochwertigen Produktionen von Hiob und Dilemma selbst sowie Dexter und Tillevisions, die gepaart mit den eigenwilligen Styles der beiden Wortakrobaten eine Atmosphäre erzeugen, die Tuas Grau nahezu gleich kommt.
    Eine weiter Stärke der Platte sind die exotischen, für aktuellen Deutschrap untypischen Songkonzepte. So wird in "Bastard Homo sapiens" der Werdegang unserer Gattung in Kurzform präsentiert. Dass es hier weder eine Happy End gibt, noch eine Auseinandersetzung mit den positiven Errungenschaften der Menschheit, dürfte jedem, der nur einen flüchtigen Blick auf das Albumcover wirft, sofort klar sein.


    "Die Herrschaft über die Flamme hat ihn emanzipiert/
    Der Kreis schließt sich, denn das atomare Feuer beendet das Wir/"
    (Dilemma auf "Bastard Homo sapiens")


    Dass sich das Weltbild der beiden apokalyptischen Reiter eher mit dem Wort "negativ" beschreiben lässt, wird auch im Track "Robespierre" klar, einem postapokalyptischen Revolutionsaufruf, dessen Titel auf die Inspirationsquelle für den Song schließen lässt.


    "Es kommt die Zeit, da wird der Galgen gesetzt/
    Die Schlösser stehen in Flammen, der Pöbel feiert ein Fest/
    Spreng deine Ketten, scheiß in dein Bett/
    Und du weißt wieder wie die Freiheit schmeckt/"
    ("Robespierre")


    Ihre Ehrfurcht vor der Natur, welcher der Mensch ihrer Meinung nach unterliegt, wird im Hiob-Solo-Storyteller "Der Funken" zelebriert, indem er die vernichtende, aber auch reinigende Kraft des Feuers darstellt und zeigt, dass der Mensch das Feuer zwar instrumentalisiert hat, er jedoch nicht imstande ist, es zu zähmen und vollends zu kontrollieren.


    "Feuer braucht nur einen Funken und es wächst und gedeiht/
    Es unterscheidet nicht zwischen Lebewesen Blech oder Stein/
    Versuch den Dämon zu zähmen und du wirst kapitulier'n/
    Denn du bist nur ein Statist, wenn der Funken zur Fackel mutiert/"
    ("Der Funken")


    Dass auch so griesgrämige Nihilisten wie Hiob & Dilemma über Humor verfügen, zeigen die bitterbösen Vergleiche auf den Battletracks, die bei der ansonsten beinahe schweren Kost des Albums wie kleine Diät-Joghurts wirken und sicherstellen, dass das Album ein kurzweiliges Vergnügen mit einer hohen Halbwertszeit bleibt und keine thematische Wiederkäuerei betrieben wird.


    "Mein Weg ist bestimmt, mein Schicksal lautet: zerstückel MCs/
    Auch wenn ich dafür lebenslänglich sitze wie Christopher Reeves
    Glaub es mein Bruder, auch wenn du für deinen Traum keinen Cent siehst/
    Sorge steht an letzer Stelle wie im Ausweis von Samy/"
    (Dilemma auf "Manifest")


    Unterstützt werden Hiob und Dilemma von Labelkollege Mike Fiction, Asek 36, dem ITF-Weltmeister DJ Pro-Zeiko, den X-Men-Clan Künstlern Absztrakkt und Ruffkid sowie der Offbeat-Untergrund-Legende Audio88. Die Features reihen sich, mit Ausnahme von Asek, dessen etwas platte Straßenattitüde ein wenig aus dem Rahmen fällt, nahezu perfekt in die düstere Soundästhetik des Langspielers ein . Ein zweiter Kritikpunkt des Albums könnte und wird die doch recht gewöhnungsbedürftige Vortragsweise der Protagonisten sein, welche vermutlich der Grund ist, warum ihnen die große mediale Aufmerksamkeit bisher verwehrt geblieben ist, die jedoch, wenn man den Schritt geht, sich ihrer anzunehmen, durchaus ihren persönlichen Charme hat. Den, auf neudeutsch gesagt, Hatern würde ich an dieser Stelle wärmstens ans Herz legen, für einen Moment die Scheuklappen abzulegen, denn dieses Werk hat es verdient, gehört zu werden.

    Am Ende des jüngsten Tages verbirgt sich unter dem Deckmantel des Endzeit-Konzeptalbums ein hochpolitisches Werk mit einigen durchaus gelungenen Abstechern in die Welt des Battleraps. Während politisch motivierter Rap gemeinhin Pseudo-Weltverbesserern und langhaarigen Studenten zugeschrieben wird und stets mit unreflektierten Lösungsvorschlägen sowie der Mast von Phrasenschweinen in Verbindung gebracht wird, liefern Hiob & Morlockk Dilemma mit "Apokalypse Jetzt" den passenden Gegenentwurf ab; sie erfassen mit einer erstaunlich präzisen Beobachtungsgabe die Ängste und Aggressionen ganzer Generationen, verpacken diese gekonnt in szeneferne Konzepte und unterlegen sie mit brachialen Boombap-Geräuschcollagen: Polit-Rap ohne Zeigefinger. Das ist consciousness!



    disdi (Christian Weins)

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    Bewerte diese CD:
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  • omnipotenz in d-moll war fetter
    apokalypse jetzt, bastard homosapiens und christina sind meine favs
    bin bissl enttäuscht aber ok


    dilemma viel besser als hiob
    beats und sound insgesamt sehr schwer, trocken und gewöhnungsbedürftig
    dilemma zeigt in seinem part auf "goethe" mal wieder was kettenreime sind

  • Schöne Review, wircklich. Genauso wie das Album. Habs Original vor mir liegen und bin stolz darauf die beiden Unterstütz zu haben.



    Aber was ich noch korrigieren wollte: Mike Fiction ist nicht auf dem gleichen Label wie Morlockk & Hiob. Die Beiden sind nun auf Spoken View gesignet da Snuff Pro dicht gemacht hat ;)


    E: Ist für mich das beste Release in diesem Jahr...also bisher.

  • bin immer so hin und hergerissen
    man muss sich erst reinhören in das album, mittlerweile feier ich das teil unglaublich. Bastard homo sapiens, m.v.h, goethe und macheten zwei find ich am dicksten., textlich ist das gesamtwerk einfach 1a
    für mich das überalbum 2009 und allgemein der letzen jahre
    und dazu leider nur 6 kommentare, schade dass solche leute die noch wahre musik nicht weiter unterstüzt werden

  • Zitat

    Original von CleanBite.
    textlich ist das gesamtwerk einfach 1a
    für mich das überalbum 2009 und allgemein der letzen jahre
    und dazu leider nur 6 kommentare, schade dass solche leute die noch wahre musik nicht weiter unterstüzt werden


    Ich finds auch immer wieder schade...

  • Also ich kenn das Album nicht aber was ich da beim Splash gehört hab, hat mich allein vom Instrumentalen her so null angesprochen, dass ich da auch nicht reinhören werde.

  • die furcht 500 ist einer der besten tracks, die ich in der letzten zeit gehört habe.


    insgesamt sehr guter rap, sowohl technisch, vom flow her und zgleich vom inhalt.


    deutschrap sollte diese richtung einschlagen und wir können alle wieder freude an der materie haben

  • sehr sehr gutes Album. Beide schaffen es lyrisch sehr sehr stark zu überzeugen. Beide sind sehr gut. Was mir nur ein wenig auf den Sack geht, ist der sächsische Akzent, was mich eigentlich nicht stört, nur irgendwie ist es so extrem und mich fucken die Stimmen dadurch ab, dass es irgendwie sehr schwer ist, das Album öfter zu hören :(

  • Inhaltlich streckenweise wahnsinnig gut. Den Sound, die Flows und im Prinzip auch den Film (den das Album ist einer) muss man halt mögen. Kann ich nicht allzu oft hören, weil wenn, dann lass ich mich gern länger drauf ein als nur mal 'nen Song anzuskippen, dafür ist die Atmosphäre des Albums einfach auch zu dicht. Aber wenn ich's mal hör, feier ich's. Ist aber leider doch gute 5, 6 Songs zu lang, wie ich finde.

  • Ein sehr gutes Album. Das beste seit Morlockks letztem Solo und seit Soziopath von H zum O. Hat mich überrascht wie gut Hiob mit Morlockk mithalten kann.
    Ist aber einfach zu "anstrengend" um es mal nebenbei laufen zu lassen.


    Die Instrumentals find ich größtenteils gut. Paar Bomben wie Bastard Homosapiens oder die Frucht 500 sind schon dabei, hätte aber noch 1,2 weitere geile Dinger erwartet.


    Auf ner Skala von 10 ist das Album bei mir ne gute 9.4

  • Auf jeden Fall bombastisches Album,wieder mal sehr schöne Morlockk-typische Beats und ein überaus aufragender Hiob.
    Der Funken, Furcht 500 ,Das Haus und M.V.H wären meine Anspieltipps.
    Durch das hohe Niveau der "sinnhaltigen" Tracks gehen meiner Meinung nach 1-2 Battletracks auf dem Album etwas unter ,was aber nicht sonderlich stört.
    Ich frag mich immer wieder warum die Jungs so wernig Backup bekommen,

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