Shindy – Dreams


  • 01. Kudamm x Knesebeck
    02. Family First
    03. Roli
    04. Hallelujah
    feat. Rin
    05. Dreams
    06. Heartbreak Hotel
    07. Art of War
    feat. Bushido
    08. Me, Myself & I
    09. Playerhater
    feat. Ali Bumaye
    10. Statements feat. Bushido
    11. Monogramm
    12. Zahlen
    13. Laas Abi Skit
    14. 31. Dezember
    15. Eggs Benedict


    Shindy hat ein neues Album gemacht. Endlich! Ein neues EGJ-Release bedeutet nämlich, dass wir ein wenig angemessenen Zirkus und Melodrama in dieses furztrockene, stinklangweilige Deutschrapjahr bekommen, das 2016 bisher darstellte. Klar waren da die überhaupt nicht erzwungenen Fehden zwischen Fler und Kollegah und diesen beiden anderen Typen da (ihr wisst schon, die einen, irgendwas mit der Türkei und Kurdistan), bestimmt wurde sich auch ein wenig auf Twitter gezofft, wahrscheinlich wurden ein paar wacke Rapper bekannter als sie sollten und mit Sicherheit ist Deso Dogg ein paar mal gestorben und wieder auferstanden. Aber sonst? Diesen letzten Satz kann man vermutlich auf jedes Jahr nach dem Urknall anwenden, dementsprechend entlocken wir damit keinem geneigten Rapupdate-Gourmet einen Lach-React aus der Facebook-Tastatur. Allerhöchste Eisenbahn also, dass die Gossip-Routiniers von Ersguterjunge zur Rettung eilen und uns ein paar neue Themen vorsetzen. Was gibt es also? Gefühlt mehr Promo für die Box als am eigentlichen Album? Solide. Mutmaßlich dreister Betrug an den eigenen Fans? Stabil! Bushido ziemlich unheteronormative Blümchenjäckchen anziehen lassen? Großartig! Na geht doch! Ich bewerte diese Promophase mit 5 von 6 wütenden Emojis und lege noch ein Whatsapp-Lagerfeuer für die herrlich weinerlichen Unboxingvideos von Shindys Fans drauf.


    (Yannik "Die zweitbesten Zähne im Game" Gölz)


    Okay, ist ja gut.


    Ich mach 'ne Million mit Fruity Loops/
    Die Gang bleibt gleich wie die Looney Toons/

    (Shindy auf "Family First")


    Shindy hat also ein neues Album gemacht. Mal zurück zum Ernst, denn abgesehen von all dem klassischen EGJ-Rummelplatzmarktgeschrei haben wir hier ja einen erwiesen ernst zu nehmenden Musiker vor uns, der schon einige Hitsongs in seiner Diskographie vorweisen kann und dessen Soloreleases eigentlich durchweg solide bis gut aufgenommen wurden. Einen Musiker, einen Ästheten, eine Interpretation des etablierten CCN-Sounds durch feinfühligere Hände und Ohren. Ein durchaus solides Erfolgsrezept und ein berechtigter Erfolg für den Wahlberliner, der uns auf seinem Dritten Langspieler seine Träume offenbaren will. "Dreams". Das Cover offenbart, dass wir keiner Traumanalyse nach Freud oder Feuerbach bedürfen, um festzustellen, dass all diese Träume vorrangig materieller und sexueller Natur sein könnten. "Fuck Bitches, Get Money", so betete es schon der Vorgänger fast mantrahaft herunter, so dass sich fast die Frage stellt, wie genau diese Träume eigentlich aussehen. Von was träumt Shindy also auf seinem Status Quo?


    60.000 Bücher, in der ersten Woche Bestseller/
    Sitz' ich heute irgendwo beim Essen, nerven plötzlich all diese Geschäftsmänner/

    (Shindy auf "Zahlen")


    Um den musikalischen Aspekt einmal in aller Kürze zu beantworten: Kennt Ihr die anderen beiden Alben von Shindy? Herzlichen Glückwunsch, denn dann kennt Ihr auch "Dreams“. Großartige Samples werden recht vorhersehbar in ein klassisches HipHop-Gewand mit latenten Trap-Untertönen raffiniert und darauf erklärt uns Michael Schindler, dass er Geld hat und schöne Frauen fickt. So weit, so bewährt. Der inhaltliche Clue dieses Werks sind nun tiefe Einblicke in sein Seelenleben, zum Beispiel, dass er früher nicht viel Geld hatte und keine schönen Frauen gefickt hat. Bei so viel intensiver Charakteroffenbarung kommt ungleich mehr Sympathie auf, wenn er uns dann Track für Track erneut mitteilt, dass er inzwischen ja doch viel Geld hat und doch schöne Frauen fickt. Inspirierend! Leicht verdientes Geld, wie er gerne betont, was bei der Formelhaftigkeit der Tracks gar nicht einmal so sehr überrascht, wie er vielleicht beim Recording erwartet hätte. Wir bekommen hübsch geflowte Parts aus der Retorte, mehr als fragwürdige Vergleiche ("Immer große Klappe wie ein Schwertfisch", "Immer wieder Shindy, Shindy, Shindy, Shindy/ Du bist schwer zu knacken wie das Rätsel auf den Cini Minis", "Fame wie die Biene Maya", "Die Hoe will rummachen, Captain Morgan"), und Bushido-Features, die sie vermutlich vor ein paar Jahren über hatten, eingefroren haben und nach Bedarf jetzt wieder in der Mikrowelle auftauen.


    Kann man so machen, klingt auch ganz schön und der Erfolg sei ihm ehrlich gegönnt, ist er doch einer der wenigen deutschen Rapper, die musikalisch genau wissen, was sie tun, und mit einem einfühlsamen Gespür für Ästhetik Visionen für Soundbilder realisieren können. Natürlich reißen die Texte an und für sich keine Bäume aus, tragen den High-Society-Vibe des Releases aber definitiv mit und immer wieder kommen Formulierungen und Bilder zustande, die definitiv eine absolut eigene Atmosphäre kreieren. So lässt die Passage über den Tod seiner Großmutter aufhorchen und davon träumen, was gewesen wäre, hätte er all die Lückenfüller mit tatsächlich bemühten Darstellungen seines Lebens und seines Erfolgs besetzt, hätte er statt lieblosen Schilderungen von einem quantitativen Ist-Bestand seines Sexlebens echte Einblicke in eine vielleicht interessante Welt der Sexualität der Reichen und Schönen gegeben. Hätte er die teils gigantischen Samples etwas wagemutiger gechoppt. Könnt Ihr Euch vorstellen, was ein Kanye West mit dem Sample von "Statements" gemacht hätte? Was ein Madlib oder ein Dexter aus dem Fundament für das "Dreams"-Instrumental gesponnen hätten? Natürlich sind schöne Beats und ansprechende Soundkulissen entstanden, aber im Grunde genommen haben wir durchgängig dasselbe Schema von 4/4-Loops auf ein oldschooliges Drumgerüst, das hier und da mit einer Basskick und ein paar Trap-Perkussionen aufgelockert wird, Intro, Part, Hook, Part, eventuell eine Bridge, Hook, Outro. Ein wenig mehr Wagemut hätte von großen Hits träumen lassen können. Was bekommen wir? Das, was auch die echten Shindy-Fans von diesem Album sagen. Es ist okay.


    Fazit:


    Wir sprechen hier von Sido-Level, ob ihr wollt oder nicht/
    Ich red' von Savas-Level, ob ihr wollt oder nicht/
    Ich mein' Bushido-Level, ob ihr wollt oder nicht/
    Für immer, ob ihr wollt oder nicht/

    (Shindy auf "Statements")


    Das sind also Shindys Träume. Oder besser gesagt: Sie waren es. Denn anscheinend hat er sie sich bereits erfüllt. Er hat sie sich schon nach seinem ersten Album erfüllt. Was entstanden ist, ist ein halbherziges Album, das von seinen bekannten Stärken deutlich über den Deutschrap-Status getragen wird, aber in seiner offensichtlichen Ambitionslosigkeit dennoch enttäuscht zurücklässt. Dieses Tape, es hätte großartig sein können. Was bleibt, ist okay. Umso ironischer, wenn man auf dieses Produkt dann den Stempel "Dreams" aufsetzt. Wovon hat Shindy denn geträumt? Einen Status wie Savas, Sido oder Bushido zu erreichen? Herzlichen Glückwunsch, den hat er von mir aus erreicht. Wenn er nächstes Jahr sein nächstes Album veröffentlichen wird, wird es sich gut verkaufen. Es wird auch wieder gut klingen. Ich kenne es ja schon, ich habe seine drei anderen Alben ja schon gehört. Es wird relevant bleiben, was er tut. Es wird weiterhin auf Interesse stoßen. Aber ist das der ganz große Traum? Ganz ehrlich, das ist kein Rockstarleben, das ist Spießbürgertum. Das sind keine Träume, das sind Berechnungen. Die zelebrierte Stagnation einer Szene. Meinetwegen, tut es. Aber wenn das das Statement ist, das Shindy und Anhang setzen wollten, dann: Dream on, Gentlemen.


    (Yannik "Cuttack" Gölz)


    [redbew]2134[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2134[/reframe]

    pocky bloom gravity boy

    2 Mal editiert, zuletzt von Up ()

  • sehr schöne Review, gut geschrieben
    hätte auch weniger Punkte noch gegeben, aber ist vertretbar


    aber bitte

    ernst zu nehmenden

    ändern
    ich meine, theoretisch ist das sogar zulässig, aber es sieht einfach richtig scheiße aus
    vielen Dank im Voraus :*

  • Hätte wohl auch ein Mic weniger gegeben... Irgendwie wird das Album mit jedem Durchlauf noch schlechter. Die Beats gehen ja größtenteils noch klar (war sowieso immer die Stärke bei Shindy-Alben). Aber mal ehrlich - welcher halbwegs normal denkende Mensch, der das 16. Lebensjahr überschritten hat, muss bei diesen Lyrics nicht vor Fremdscham im Strahl kotzen?!


    Die Features reißen nichts raus, vom Albumtitel steckt im Grunde nichts im Album und die Box war wohl die größte Abzocke der Deluxe-Box-Geschichte. Klasse Herr Schindler, deine minderjährigen Fans sind bestimmt stolz auf ihr Idol :krueppel:

  • , der das 16. Lebensjahr überschritten hat, muss bei diesen Lyrics nicht vor Fremdscham im Strahl kotzen?!



    Shindy hat es geschafft dass Bonzen sich wieder gut fühlen können.

    Zitat


    Redest du pazifistisch Verblendet reiben sich Faschisten die Hände.
    Und die Frage ist nicht warum ich vermummt bin,
    die Frage ist warum bist du's nicht du Dummchen?

  • [MENTION=343124]Cuttack[/MENTION]: Gib bescheid wenn de mal in der Nähe Jenas/Berlins bist um mich dran zu erinnern dir einen auszugeben für die Reviews die du hier hinterläst. Liebe dafür

    all y'all records sound the same
    I'm sick of that fake thug, R&B-rap scenario, all day on the radio
    Same scenes in the video, monotonous material

  • Mit Sicherheit einer der am besten geschriebenen Reviews, die ich hier im Forum jemals gelesen habe. Kritikpunkte sind absolut nachvollziehbar, auch wenn ich diesen im Detail nicht 100% zustimme. Soundtechnisch und inhaltlich sehe ich schon einen deutlichen Unterschied zwischen NWA und Dreams.

  • Wirklich sehr geile Review, bin echt stolz. Kann man auch ruhig nochmal öffentlich sagen, [MENTION=343124]Cuttack[/MENTION] hat an dem Ding wirklich schnell und verlässlich gearbeitet, sodass ich es echt schnell freigeben und wir es veröffentlichen konnten. Top, mindestens in meinen Top 5 Reviews 2016.

    [indent]It ain't about who did it first, it's about who did it right.[/indent]

  • Gut geschrieben die Review, definitiv.
    Es wird aber doch recht eindeutig mit zweierlei Maß gemessen, wenn man die Review mit den Reviews anderer Alben vergleicht. Dreams unterscheidet sich stilistisch schon eindeutig von FBGM und auf jeden Fall von NWA, einen Flow wie auf "Family First" habe ich in der Form noch nicht gehört - Da variieren andere Künstler ihren Stil von Album zu Album weit weniger und werden dafür nicht in den Reviews zerrissen. Hatte beim Lesen das Gefühl, dass die Erwartungen des Autors an Shindy einfach nicht erfüllt wurden. Grundsätzlich kommt man sicher nicht darum herum, seine eigene Erwartungshaltung mit in eine Review einfließen zu lassen. Wenn jedoch eine mittelmäßige Bewertung darauf gründet, dass der Autor einem Künstler mehr zugetraut hätte, finde ich das problematisch. Vielleicht habe ich hier aber auch einfach einen falschen Eindruck.
    Aber wie gesagt - sehr gut geschrieben, macht Spaß zu lesen.

  • Jo, gute Review. Ich finde Shindy hat seit dem starken Debut immer weiter abgebaut und was mit FBGM angefangen hat wird mit Dreams fortgesetzt: Und zwar die "Entzauberung" als eigenständiger Künstler.
    Einzig allein der gute Klang und die Produktionsqualität überzeugen, wenn man aber die US-Vorbilder kennt, flasht einen auch das nicht mehr.


    Die Lyrics sind bis auf ein paar gute Lines und die teils doch sehr überzeugende Delivery echt schwach und schon unfreiwillig komisch. Das Cover ist unästhetisch³ und über die Box muss man ja nicht mehr reden.

  • "Immer wieder Shindy, Shindy, Shindy, Shindy/ Du bist schwer zu knacken wie das Rätsel auf den Cini Minis"


    Ich kenn sogar einige Leute die diese unfassbar wacke Line feiern... ich muss mir nen anderen Freundeskreis suchen, eindeutig :suspekt:

  • Gut geschrieben die Review, definitiv.
    Es wird aber doch recht eindeutig mit zweierlei Maß gemessen, wenn man die Review mit den Reviews anderer Alben vergleicht. Dreams unterscheidet sich stilistisch schon eindeutig von FBGM und auf jeden Fall von NWA, einen Flow wie auf "Family First" habe ich in der Form noch nicht gehört - Da variieren andere Künstler ihren Stil von Album zu Album weit weniger und werden dafür nicht in den Reviews zerrissen. Hatte beim Lesen das Gefühl, dass die Erwartungen des Autors an Shindy einfach nicht erfüllt wurden. Grundsätzlich kommt man sicher nicht darum herum, seine eigene Erwartungshaltung mit in eine Review einfließen zu lassen. Wenn jedoch eine mittelmäßige Bewertung darauf gründet, dass der Autor einem Künstler mehr zugetraut hätte, finde ich das problematisch. Vielleicht habe ich hier aber auch einfach einen falschen Eindruck.
    Aber wie gesagt - sehr gut geschrieben, macht Spaß zu lesen.


    Stimme einwandfrei zu. Ich kann mir beim besten Willen keinen Reim darauf bilden, dass man Shindy's musikalische Entwicklung von N.W.A. bis Dreams verkennt. Der Klangteppich von N.W.A. ist nun wirklich etwas Anderes. Ich kann die losgetretene Diskussion über Stagnation nachvollziehen, aber nicht in musikalischer Hinsicht. Also mir ist nicht entgangen, dass sich Shindy an diversen neuen Nuancen versucht hat, die das Album durchaus abheben von seinen vorigen Releases. Da seien die angesprochenen Flowpattern, der Einsatz von Gesangshooks (auch wenn ich diese nicht mag), der überaus gelungene Versuch sich mit Autotune nicht zu blamieren und auch das ein oder andere Instrumental, das ich so von Shindy nicht erwartet hätte. Und letztlich auch nicht zu vergessen ist der zuweilen druckvollere Stimmeinsatz, der zwar fast einstimmig für misslungen befunden wurde, aber doch aufzeigen dürfte, dass hier definitiv auch experimentelle Entwicklung stattfindet. Viele dieser Versuche gefallen mir gar nicht, aber dennoch ist das Album gut, auch wenn ich es für sein schwächstes halte. Und ich muss mir auch nicht vorstellen, was ein Kanye West(!) aus diversen Samples gemacht hätte, das grenzt an Realitätsferne.


    Shindy sagt es doch selbst - er will Ami-Rap auf deutsch, ohne dass es peinlich ist. Schafft er das? Ja. Ich muss allerdings der Review zustimmen, wenn es um seine Person geht. Die thematische Grundstruktur seiner Songs verkommt allmählich zur Endlosschleife. Shindy hat nicht viel zu erzählen und daran krankt sein nun viertes Großprojekt einfach so langsam aber sicher mal. Er ist ein sehr guter Produzent, seine Platten wissen durch Abwechslung zu überzeugen, doch seine Person muss mit dieser Abwechslung auch korrespondieren. Er ist in der Lage, Beats zu produzieren, die wirklich wunderbar moody und melancholisch sind, löst allerdings das Versprechen, das er mit diesen Beats macht mit der lyrischen Komponente niemals ein - und das ist schade. Musikalische Vielfalt, lyrische Eindimensionalität. Man könnte meinen, er schreibt gar nicht auf die Beats. Ansonsten muss man aber auch sagen, dass er hier abermals solide abgeliefert hat.


    PS: Die Wertung ist okay, ich würde nicht zu vieeeel mehr tendieren, aber Kay's Album hat drei Mics, will ich beiläufig bemerkt haben :D

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