Hast Du die neue Videoauskopplung von SXTN gesehen? Natürlich hast Du. Vorausgesetzt, Du teilst meine masochistische Ader, treibst Dich in den Vice-Gefilden des deutschen Raps herum und saugst auf, was dort so von sich gegeben wird. ""Ich bin schwarz" heißt das neuste Erzeugnis, ausgekoppelt aus der EP "Asozialisierungsprogramm" und stellt eine reine Nura-Solonummer dar. Kurz zusammengefasst: Ich bin schwarz, ich will Spaß, ich rauche Gras, ich habe einen fetten Arsch, ich esse gerne Hänchen [sic]. Und die absolut nicht kalkulierte Reaktion der Youtubekommentareschreiber sah zur gemeinen Überraschung so aus, dass sich das Lager in rechte Trottel, die mit teils englischsprachigen Kommentaren auf der Waszumfick-Skala Stufe Rot erreichten (da wird von Holocaustforderungen bis hin zu Rassenhass einmal alles heruntergebetet, das zurecht verachtenswert ist) und linke Trottel spaltet, die sich besonders intelligent vorkommen, da sie die Stufe-Eins-Ironie entschlüsselt haben. Nura ist sich ja tatsächlich bewusst, dass Schwarze gar nicht die fleischgewordenen Stereotype aus den Zwanzigern sind, als die sie sie da darstellt. Raffiniert, noch raffinierter nur all die cleveren Menschen, die das verstanden haben! Da darf man sich zurecht einmal selbst auf die Schulter klopfen.
Ich habe an dieser Stelle schon verloren, denn: Ich spreche gerade darüber. "Ich bin schwarz" ist nichts als rein kalkulierte Provokation. Und es ist scheiße. Also nein, stellt Euch das bitte einmal in ausgesprochen und massiv überbetont vor. Es ist scheeeiße. Nura rudert musikalisch dermaßen hilflos auf dem Beat, dass ihr noch mehr gute Rundumproduktion und ein noch tolleres Video auch nicht geholfen hätten. Aber darum geht es ja auch nicht. Jetzt kommen vermutlich Spezialisten an und werfen mir getreu des Disclaimers vor, auch nur aus Rassismus gegen den Song zu sein. Aber der Punkt ist, ich schreibe diesen Artikel, weil ich auf dem Spektrum relativ links zu verordnen wäre und den Song gerade deshalb scheiße finde. Also mal abgesehen davon, dass er scheiße klingt. Let me elaborate:
SXTN oder ihr Promotionteam tun mit diesem Song nichts, als sich für ihre Selbstinszenierung eine komplexe politische Debatte zu instrumentalisieren, ohne aber auch nur irgendetwas dazu beizutragen. Die Vice, mein Lieblingsmagazin überhaupt, taggte das Video unter "Politik" und "Rassismus". Haben wir hier ein politisch anspruchsvolles Werk vor uns, das uns die subtilen Klischees der Gesellschaft gegenüber dunkelhäutigen Menschen aufzeigt? Nein. Wir haben eine mäßig begabte, unroutiniert klingende Rapperin, die den NDW-Klassiker "Ich will Spaß" covert, dabei aber mit der Subtilität eines scheißenden Nilpferdes ein paar Klischees über Schwarze einfügt. Das Strohmannargument, dass ja nur Nazis das blöd finden würden, weil sie Schwarze hassen, ist Blödsinn und reine Anbiederung an die tendenziell linke Zielgruppe. Die fühlen sich nämlich wie oben beschrieben in ihrer Ideologie bestätigt und die zweifelsohne noch wesentlich dümmeren rechten Idioten überkommt ein wohliges Gefühl des "Man, sind die blöd. Zum Glück bin ich nicht so blöd!". Kommt Dir irgendwie bekannt vor? Jup, ganz genau. SXTN wendet hier das klassische RTL-Prinzip an, nur eben auf eine politische Debatte umgemünzt.
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[/YOUTUBE]Und hier fängt es für mich an, ein persönliches Problem zu werden. Wir leben in einer politisch schwierigen, stürmischen Zeit, in der die Menschen mehr denn je gespalten, verunsichert und verfeindet sind. Die Lagerbildung Links und Rechts ist längst abgeschlossen, ein Dialog wird anscheinend nicht einmal mehr gesucht, alle Flaggen sind auf Anfeindung und Konfrontation gemünzt. Und auf diese Lage kommen nun SXTN und beginnen, eine menschliche Debatte zu kommerzialisieren, indem sie durch stumpfsinnigste Provokation Kontroverse und damit Promo erreichen. Ganz großes Kino. Als würde es nicht reichen, in einem grundsätzlich ideologisch gespaltenen Land mit besorgtem Blick auf die Wahlergebnisse zu schauen, hat es jetzt angefangen, dass sich die, die eigentlich für humanistische und weltoffene Grundsätze stehen sollten, unter sich einschließen und sich konstant im Kreis drehen. Nein, wir haben jetzt die ersten Artists, die auf stupideste Weise darauf kommerzialisieren. In diesem Fall zitiere ich in irgendeiner Form der Ironie einen recht weisen Mann und sage "Nichts ist blöder als politischer Rap und seine Hörer". Geht doch einfach alle weg.
(Yannik Gölz)