Drake – Views


  • 01. Keep the Family Close
    02. 9
    03. U With Me?
    04. Feel No Ways
    05. Hype
    06. Weston Road Flows
    07. Redemption

    08. With You feat. PARTYNEXTDOOR
    09. Faithful feat. Pimp C & dvsn
    10. Still Here
    11. Controlla

    12. One Dance feat. Wizkid & Kyla
    13. Grammys feat. Future
    14. Childs Play
    15. Pop Style
    16. Too Good
    feat. Rihanna
    17. Summers Over Interlude
    18. Fire & Desire
    19. Views
    20. Hotline Bling


    "Started from the bottom now we here" schallt es seit 2013 immer wieder aus Lautsprechern auf der ganzen Welt. Dabei mag dieser Titel auf den ersten Blick Drake nur wenig entsprechen, denn bei diesen Worten denkt man zunächst an einen Rapper, der es aus den Tiefen der Kriminalität und Armut amerikanischer Großstadtghettos, trotz aller Hindernisse, zum Erfolg und zu Reichtum geschafft hat. Ein Bild, welches, obgleich einiger Schwierigkeiten und Tragödien im Leben des Kanadiers, wie die Trennung seiner Eltern, Selbstzweifel oder die Verhaftung seines Vaters, nicht auf das Leben eines Mannes passt, der in den guten Vierteln Torontos aufwachsen durfte und schon als Jugendlicher regelmäßig Schauspielauftritte im Fernsehen erhielt und somit eine gute Zukunft zu haben schien. Doch wenn man diese Worte nicht auf das Leben des Künstlers, sondern auf seinen Status im Rapgame bezieht, wirken sie umso realistischer: Auf dem Cover von "Room For Improvement", der mittlerweile zehn Jahre alten, ersten offiziellen Veröffentlichung von Drake, sieht man diesen in einem dunklen, eher spärlich eingerichtetem Raum, in welchem er etwas verloren erscheinend in die Luft blickt. Der Name des Releases ist auch auf den kommerziellen Erfolg bezogen Programm, denn innerhalb der ersten zehn Monate wurden gerade einmal 6000 Exemplare verkauft – keine Zahlen, die für einen zukünftigen Status als Rapgröße oder gar Weltstar sprechen. Dazu beigetragen hat wohl auch, dass der Künstler schon damals auf einen radiofreundlichen Sound mit teils introspektiven Lyrics fernab jeder Gangster- und Straßenattitüde setzte, und das zu einer Zeit, in der Künstler wie Lil Wayne, dessen Zeilen im Radio teils bis zur Unkenntlichkeit zensiert werden mussten, und T.I. an der Spitze des amerikanischen Rapgames standen. Doch der Kanadier ließ sich von dem damaligen Misserfolg nicht abbringen und startete bereits ein Jahr später, entschlossen dreinblickend, seine "Comeback Season", die den Weg zur späteren Berühmtheit ebnete: Nachdem Weezy nämlich das zweite Werk des Rappers zu hören bekam, lud er ihn sofort in die Staaten ein, um mit ihm einige Songs aufzunehmen, danach lief alles wie von selbst: "So Far Gone" ist bis heute eines der erfolgreichsten und bei Kritikern beliebtesten Mixtapes überhaupt und landete im Releasejahr 2009 auch auf einigen Bestenlisten. In den folgenden Jahren erfolgte dann der unaufhaltsame Aufstieg an die Spitze der HipHop-Welt. "Thank Me Later", das Debütalbum des MCs, stürmte die Chartspitze und "Take Care", auf dessen Artwork wir erneut einen leicht verloren aussehenden Drizzy sehen, diesmal allerdings in einem recht luxuriös ausgestatteten Zimmer, war sogar das erfolgreichste Rapalbum des ganzen Jahres 2011. Klar, dass man nach so einem Erfolg den Kopf schon in den Wolken hat, denn "Nothing Was The Same". Zumal die Erfolge nicht abreißen wollten und der Kanadier auch mit einem unangekündigten Mixtape wie "If You're Reading This It's Too Late" Rekorde bricht, zusammen mit Future in weniger als einer Woche ein Nummer-Eins-Tape kreieren kann und dann wenige Monate später "Hotline Bling" fast an der Spitze der Singlecharts platziert, wie um zu beweisen, dass er auch noch die letzten Rekorde brechen kann, die ihm fehlen. All das, die zehn Jahre Erfahrung im Rapgame, der fast unglaubliche Aufstieg und der Einzug in die Popwelt und Mainstreamkultur, kulminiert nun in "Views", dem vierten Studioalbum des Rapstars, dessen Cover die Essenz von Drakes aktuellem Status wunderbar einfängt: So thront er auf dem Fernsehturm Torontos über seiner Heimatstadt und sinnbildlich über der HipHop-Welt. Doch selbst das wirkt bei einem Künstler dieser Größe fast wie ein Understatement, denn den Rapthron hält er schon längst inne, ist eigentlich schon über ihn hinausgewachsen, mit seinem neuen Langspieler kann er diesen lediglich nur noch weiter manifestieren. Ob ihm das gelungen ist?


    All of my 'let's just be friends' are friends I don't have anymore/
    How do you not check on me when things go wrong/
    Guess I should've tried to keep my family closer/
    Much closer/

    (Drake auf "Keep The Family Close")


    Die ersten Takte des Intros "Keep The Family Close" erklingen und der Hörer findet sich in einer kühlen Atmosphäre wieder, welche Drake mit sehnsüchtigen Zeilen über Liebe, Enttäuschung und Treue unterstreicht, die aus einer gescheiterten und beendeten Beziehung herrühren. Das zunächst ruhige Instrumental wird über den Track hinweg immer imposanter und mit dem Beat wächst auch die Entschlossenheit des Rappers, das Richtige getan zu haben, wobei ein gewisser Schmerz jedoch immer noch spürbar ist. Melancholisch und winterlich geht es ebenfalls auf den nächsten Titeln weiter, die nicht nur die Stimmung, sondern ebenfalls die vorangegangenen Themen fortsetzen. Musikalisch besticht der eher negative Vibe vor allem durch die für den Kanadier typischen, hier aber modernisierten und stimmigen R&B-Elemente, die verbunden mit der Symbiose aus Rap und Gesang sowie passenden Zeilen ein wunderbares Gesamtbild ergeben. Doch die getrübte Stimmung kann natürlich nicht ewig halten und unter die meist traurig anmutenden Zeilen schleicht sich nun immer wieder ein wenig Selbstbewusstsein und sorgt somit für eine natürliche Entwicklung, die schließlich mit "Hype" in dem ersten Breakout-Moment der Platte kulminiert: Auf einem äußerst trappigen Instrumental erzählt der Künstler mit fast rotziger Arroganz davon, dass er doch eigentlich der Größte ist, verteilt einige Seitenhiebe gegen namentlich nicht erwähnte Rapper und kreiert damit einen Banger, der auch gut und gerne auf dem letztjährigen Mixtape "If You're Reading This It's Too Late" hätte auftauchen können. Danach scheint alles besser zu werden und der Ausbruch aus der vorherigen Sehnsucht hat auch stilistische Folgen: So klingt "Weston Road Flows" dank eines Mary-J.-Blige-Vocalsamples und einem unterlegten, hypnotischen Drumset wesentlich positiver und lässt Frühlingsgefühle aufkommen, während Drake auf seine Vergangenheit und das Leben in seiner Heimatstadt Toronto zurückblickt. Mit dem Wandel der Jahreszeiten hat der Rapper zwar seinen Schmerz noch nicht vollständig überwunden, wie bereits der nächste Track "Redemption" zeigt, jedoch ist die vorherige Melancholie verschwunden und wurde durch eher sentimentale oder hoffnungsvolle Gefühle ersetzt. Während die Reise durch Drakes Gefühlswelt weitergeht und der Rapper mal versucht an einer zerbrechenden Beziehung festzuhalten ("With You"), mal ein zweifelndes Mädchen von sich überzeugen will ("Faithful") oder schwärmerisch Treuebekundung auf Treuebekundung folgen lässt ("Controlla"), dringt der Langspieler soundtechnisch immer weiter in sommerliche Gefilde vor. Diese zeichnen sich besonders durch einen starken Dancehall-Einfluss aus, was durch den Einsatz einiger jamaikanischer Gastmusiker wunderbar abgerundet wird, verspielte und sphärische Drumsets, die karibische Gefühle vermitteln, und die perfekte Instrumentierung für einen langen Sommerabend mit Freunden. Und je sommerlicher der Klang der Platte wird, desto mehr werden die eher schmerzvollen Liebessongs durch positive und energiegeladene Raphymnen ersetzt, auf welchen der MC entweder zuversichtlich in die Zukunft blickt oder aber mit einer Portion gesunder Superstar-Arroganz mit seinen Erfolgen prahlt ("Still Here"). Auch die Afrobeat-lastige Hitsingle "One Dance" fügt sich perfekt in diesen Abschnitt des Albums ein und bietet, trotz einiger gravierender stilistischer Unterschiede, einen grandiosen Übergang zum Trap-Banger "Grammys", für welchen sich Drizzy die perfekte Unterstützung in Form seines guten Homies Future sicherte. Die Sommerparty setzt sich fort und findet ihren Höhepunkt in "Pop Style", leider ohne Kanye West und Jay-Z, die nach einem Disput über den Status von "Views" als Apple-Music-Exclusive kurzerhand von dem Song gestrichen wurden. Mit "Too Good", einer weiteren Kollaboration mit Popstar Rihanna, in der es sich um eine schwierige, zerbrechende Beziehung dreht, zeichnet es sich bereits ab und kurze Zeit später herrscht Gewissheit: Der Sommer ist vorbei und wird mit einem gitarrenlastigen Soultrack beendet. Zurück zu kalten, winterlichen Klängen bieten die nächsten beiden Tracks noch einmal die Motive, welche den gesamten Langspieler durchziehen: "Fire & Desire" ist ein weiterer, gefühlvoller Titel über unerwiderte Liebe, wohingegen auf dem Titeltrack "Views" die Jahreszeitenreise durch seine Heimatstadt Toronto mit eher selbstbewussten und zuversichtlichen Zeilen über Erfolg, Reichtum, seine Homies und seine Zukunft beendet wird. Die Hitsingle "Hotline Bling", welche sich als Bonusmaterial an das Werk anschließt, kann, auf das Konzept des Albums bezogen, als ein letztes, verträumtes Aufkommen sommerlicher Gefühle gesehen werden.


    They wanna pree the movements, gotta start to make 'em sooner/
    My exes made some of my favorite music/
    I dated women from my favorite movies/
    Karma's such a thing of beauty/

    (Drake auf "Views")


    "Views" ist also eine Reise durch die Jahreszeiten – und fühlt sich dabei an, wie ein schier endloser Psychedelic-Rock-Track: Keine plötzlichen Umschwünge, keine Momente, die einen groß aus dem Hörerlebnis rausreißen, sondern eine fortlaufende, sich sowohl in ihren Elementen und Stilen als auch durch ein ständiges Auf und Ab stets wandelnde Soundentwicklung, die dabei aber immer natürlich bleibt und dadurch den Wandel der Jahreszeiten wunderbar widerspiegelt. Die Produktion besticht ganz nebenbei noch zusätzlich, und das über das ganze Release hinweg, durch eine aufsaugende Hypnotik, mal kreiert mit Hilfe von imposanten, an Hollywoodblockbuster erinnernde Klänge ("Keep The Family Close"), andere Male beschränkt auf ein minimalistisches Drumset aus Kick und Snare, kombiniert mit einem das Gesamtbild abrundenden Sample ("Weston Road Flows"). Doch nicht nur Produzent Noah "40" Shebib hat ganze Arbeit geleistet, um ein durchweg mitreißendes Gesamtwerk zu schaffen, in welches man sich fallen lassen und verlieren kann: Erst in Kombination mit Drakes oft kopierter, aber nie erreichter Symbiose aus R&B-Gesang und Rap kann das Werk seine volle Wirkung auf den Hörer entfalten, was zum Schluss noch einmal mit den Texten abgerundet wird, die entweder äußerst gefühlvoll, zwischen kalter Melancholie und Sentimentalität schwankend oder rotzig-arrogant gehalten sind. Natürlich findet sich ebenfalls die ein oder andere abgedroschene oder übertrieben kitschige Zeile auf dem Album, die allerdings nie schlimm genug ist, einem das Hörerlebnis zu zerstören. Im Gegenzug gibt es zudem haufenweise Höhepunkte auf dem Release, welche sich sowohl in einzelnen Momenten finden, wie dem dritten Vers von "U With Me?", der durch eine kleine Veränderung im Instrumental, intelligentem Stimmeinsatz und einem äußerst eingängigen Flow zu einem der erinnerungswürdigsten Augenblicke des Langspielers gemacht wird, als auch in ganzen Songs, wie in der Hitsingle "One Dance", auf welcher dem Kanadier der Spagat zwischen Popappeal und HipHop-Song exzellent gelingt.
    Eine Schwäche kann man Drizzy hier jedoch schon anlasten: Stagnation. Denn das Gehörte wirkt trotz allem Unterhaltungswert nicht innovativ, ja fast sogar wie eine Wiederholung seiner selbst. Man kommt nicht drumherum, den Gedanken im Hinterkopf zu spüren, die gleichen Geschichten und Texte von dem Rapper schon einmal gehört zu haben. Doch das soll nur eine kleine Kritik auf hohem Niveau sein, denn auch wenn "Views" nicht das stärkste Werk des Künstlers ist, bleibt es ein verdammt starkes Album, welches vor allem durch seine geniale und vielseitige, aber nie überladene Produktion und einigen musikalischen Höchstleistungen Drakes auf ganzer Linie überzeugen kann und uns wohl noch mindestens durch den Rest dieses Jahres begleiten wird.



    (Sanchyes)


    [redbew]2058[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2058[/reframe]

  • schöne Rewiev. Klingt, als wäre sehr viel Zeit reingeflossen.
    Album ist irgendwie mau. Es ist viel zu lang, ich habs bisher erst einmal am Stück durchhören können, und es ist n Rückschritt zu If youre reading this

    pull your weapon out - and point it at the one who's innocent. notice that your weapon is still down and hasn't lifted yet.
  • Kriegt hier jedes große Ami Album 5-6 Sterne?
    Ist nach NWTS und If you´re reading this ein klarer Rückschritt
    Für mich 2,5-3/6


    Finde es auch bemerkenswert,dass kaum auf die teilweise furchtbar kitschigen Lyrics eingegangen wird.
    Normalerweise sind mir Texte nicht so wichtig,aber da sind schon sehr viele Aussetzer drauf und viele Tracks sind einfach unglaublich langweilig

  • ernsthaft jetzt? 5 von 6 mics? wie kann man das bitte guten gewissens rechtertigen?! if you're reading this... hätte dann um die 9 mics verdient oder wie?


    ihr solltet echt mal an der skala arbeiten, führt 10 mics ein dann geben diese lächerlichen bewertungen auch mal sinn. jedes drecksalbum bekommt min. 4-5 mics, ist doch behindert

  • Joa, muss mich den Anderen leider anschließen, Views würde von mir höchstens 3,5/6 kriegen
    Das Album macht zwar nichts komplett falsch (bis auf die Lyrics), aber ist dann halt auch nur solide und wird dadurch dem Hype nicht gerecht
    IYRTITL hat im Vergleich 10 Mal mehr geballert, hätte er meiner Meinung nach auch als VFT6 rausbringen sollen da die Stadt dort besser repräsentiert wird
    Achja die schwachen Lyrics wurden auch angesprochen, normalerweise hat Drizzy 10 Quotes pro Song aber hier ist das alles irgendwie generisch


    Immerhin ist der Sound von 40 wie immer großartig und gibt auch einige Tracks die mehr als nur solide sind (Hype, Weston Road Flows, Controlla, Views)
    Aber wer weiß, vielleicht ist es auch ein Grower

  • Die einzigen Lieder, die mir wirklich im Gedächtnis geblieben sind, waren One Dance & Popstyle. One Dance ist aktuell auch eines meiner Lieblingslieder. Die anderen haben ich mir eins, zwei mal angehört und das wars dann auch. Höre aber auch nicht sonderlich viel Ami Rap :hut:
    Aber auf jeden Fall ein schönes Review :)

  • Hype, One Dance & Pop Style finde ich sehr nice, der Rest nur so meh. Ist sicher kein schlechtes Album, aber gerade für Drake echt unterdurchschnittlich. Klingt über weite Strecken sehr uninspiriert und generisch, was durch die Lyrics noch unterstrichen wird.
    5/6 finde ich schon hart lächerlich, 3,5/6 sind hier das Maximum.

  • Drake ist schon seltsam. Mag jetzt übertrieben klingen, aber ich halte "Nothing Was the Same" für eines der besten Rap-Alben überhaupt. Das Teil lief bei mir rauf und runter. Komischerweise hatte ich seitdem nicht wieder das Bedürfnis mir eine seiner Platten komplett zu geben. Ich kenne den ein oder anderen Song von IYRTITL aber ganz hab ich mir das Album nie angehört. Wahrscheinlich trifft es der letzte Absatz ganz gut. Drake hatte seinen Zenit mit Nothing was the Same und er stagniert nicht nur, er wird definitiv schlechter. Ist für mich fast so, als wäre das Kapitel Drake mit "Nothing Was the Same" vollendet. Der Sound war 2013/14 einfach ein Unikat und der heißeste Scheiß aber er schafft es nicht das zu wiederholen. Überhaupt, was soll ein Song wie "Hotline Bling" - furchtbar öde. Drake will auf Teufel komm raus der beste Rapper seiner Generation werden und 2013 dachte ich auch, dass das passt, aber dafür ist sein neuester Output einfach zu schwach.

  • Auch wenn das Album nicht soviel Energie rüberbringt wie If Youre Reading This Its Too Late. Es ist trotzdem mindestens genauso gut. Musik bedeutet nicht immer Überraschungsparty oder gipfelnde realness. Das Album deckt jeden Geschmack einmal ab und ist einfach ruhiger. Das Drake auch in den Krieg ziehen kann wenn es Beef gibt haben wir ja bei Meek Mill gesehen. Aber gutes Review!

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