01. Der ewige Ikea
02. Knapp 9000m tief im Köhlerliesl
03. Prometheus feat. Absztrakkt
04. Melancholia
05. Dr. Eisenstirn / Kaffee hilft
06. Feiern wie sie fallen feat. Kamikazes
07. Halb so wild
08. Läppisches Theater
09. Fressfeind
10. Unsachlich (Skit)
11. Krematorium
12. Rosa Blume
13. Was glaubt die Welt denn, wer sie ist?
14. Le Mepris oder ein leider nötiges Godardzitat (Skit)
Eine Review zum neuen Album von Prezident also … Die Einleitung schreibt sich ja fast von selbst. Meist unterschätzt, unterbewertet, vom verdienten Ruhm verschont geblieben und Geheimtipp sind Schlagwörter, die durchaus gerechtfertigt sind und auf jeden Fall darin vorkommen sollten. Auf sein lyrisches Meisterwerk "Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte" aus dem Jahr 2013 anspielen. Anmerken, dass schon einige Zeit vergangen ist, seit er solide EPs zum Download bereit gestellt hat und wenn noch Platz ist, darf auch von Bukowski über Lovecraft bis Nietzsche die Palette der Weltliteraten, von denen sich Prezident inspirieren ließ und lässt erwähnt werden. Fertig ist eine austauschbare Einleitung, die kein Schwanz gerne liest und die einzig und alleine den Zweck verfolgt, nicht zu abrupt mitten ins Geschehen einzusteigen. So weit so gut – dann wollen wir mal sehen, ob der Rapper den astronomischen Erwartungen gerecht werden kann.
Na ja, Dante hat Vergil gekriegt/
Von daher vielen Dank für nichts, für wer auch immer dieser Typ hier ist/
Ich mein, er hat's erzählt und ich so: cool, Bruder/
Ich glaub', es war Autor bei der Vice oder YouTuber/
Irgend sowas würdeloses, irgendwas mit Cordhose/
Mein Führer durch das Jenseits holt mich ab in einem Ford Focus/
Fährt beharrlich Hundertzwanzig auf der Mittelspur/
Wir hören beide MoTrip-Alben auf dem Weg zum Limbus durch/
(Prezident auf "Der ewige Ikea")
Inspiriert von Dantes "Göttlicher Komödie" begibt sich Prezident im ersten Track auf eine Reise in den "ewigen Ikea" – seine eigene und nicht weniger beängstigende Definition der Hölle, wo die Langweiligen und Profillosen in der grauen Tristesse eines schwedischen Möbelhauses für die Ewigkeit ihr Dasein fristen müssen. "Denn wer nie so recht gelebt hat, dem ist auch kein rechter Tod vergönnt und der ist für diesen Ort bestimmt." Der Wuppertaler Rapper steht daneben und lässt zynische, gesellschaftskritische Kommentare vom Stapel, ohne auch nur einmal erzwungen oder übertrieben zu wirken. Frei nach dem Motto "Lieber einen Spruch ablassen, als groß Reden halten" ("Knapp 9000m tief im Köhlerliesl") präsentiert Prezident sich grundsätzlich nicht anders als auf bisherigen Liedern, jedoch mit einem Ticken mehr Gelassenheit und verurteilender Gleichgültigkeit in seiner Betonung und Ausdrucksweise – "Mit Mitte Dreißig ist alles nur noch halb so wild"("Halb so wild") wie er selbst so schön sagt. Genau diese veränderte Haltung ist es, die der Platte trotz der Kompromisslosigkeit, der schweren Themen und der teilweise ziemlich komplexen Fantasie-Gebilde – wie beispielsweise dem vorhin erwähnten Limbus – eine erfrischende und stellenweise sogar entspannte, aber dennoch hungrige und Prezident-typische Note verleiht. Auch Alkohol und die kleinen Freuden des Lebens werden auf "Limbus" zum Thema und wieder mal wird klar, wie sehr Prezident einen gepflegten Vollrausch zu schätzen weiß, sich jedoch im selben Moment auch kritisch damit auseinandersetzen kann. Das Einzige, was größer zu sein scheint als sein Wortschatz und Themenrepertoire ist die Liste seiner Feindbilder: Beginnend mit Vice-Autoren und YouTubern über Szenekollegen wie Genetikk und MoTrip sowie deren "von vornherein gescheiterten Versuche, echte Songs zu schreiben"("Fressfeind") bis hin zu Cordhosenträgern, Likegeilisten und den kritisch beäugten fünf Elementen des HipHop im Zeitalter sozialer Medien. Oder wie er sie alle zusammengefasst nennt: "0815-Schmutz". Während man auf vielen Alben anderer Rapper oft vergeblich nach durchgehend guten Parts sucht, hat "Limbus" ausschließlich solche. Jeder Track ist für sich ein kleines Meisterwerk, jeder Part weist mehrere Quotables auf und so gut wie keine Zeile ist überflüssig. Auf lyrischer Ebene beweist Prezident ein weiteres Mal, dass er zur Oberliga zählt und erwähnt dies auch mehrmals auf teils bösartige, teils humorvolle Art:
Ich mach' Action für vier/
Technisch versiert für Acht mit zehnfach besserem Gespür/
Als deine zwanzig besten Freunde für die Schwächen von dir/
plus mit den dreißig besten Texten von dir/
und deinen meinetwegen vierzig oder fünfzig oder sechzig besten Ghostwritern/
Kackst du ab vor meinem SMS-Entwurfsspeicher/
(Prezident auf "Fressfeind")
Der Rapper bringt seine Flows wie gewohnt ohne größere Experimente, on Point und Solide auf die Beats und erinnert dabei meistens an das Vorgängeralbum. Jedoch wirken Tracks wie "Was glaubt die Welt denn, wer sie ist?" rein in puncto Flows eher wie der Prezident vor sechs oder sieben Jahren und die etwas lautere Stimme auf eben diesem Song tut ihr Übriges, um den Eindruck nochmal zu verstärken. Auch die Beats wissen zu überzeugen: Es rumpelt, es scheppert, es kratzt und trotzdem ist alles wie es sein soll und angenehm zu hören. Die produktionstechnische Leistung zwischen warmen Samples, Gesangsschnipseln und harten Drumsets sucht ihresgleichen. Als hätte man Roc Marciano und Earl Sweatshirt in einen Topf geworfen, kräftig gerührt, aus dem Entstandenen nur die besten Stücke herausgepickt und aus eben jenen seinen eigenen, leicht psychedelischen Soundentwurf gedreht. Selten wirkt die Instrumentierung eines Albums so roh und zur selben Zeit so professionell ausgearbeitet. Keine Spur von Reizüberflutung, denn im Beatgerüst von "Limbus" trifft Minimalismus auf Detailverliebtheit, Altes auf Neues, Deutschrap auf die Trends von Übersee und das alles klingt in keiner Sekunde zu gewollt – "Mehr so Heizungskeller als Präsidentensuite im scheiß Hilton"("Fressfeind").
Fazit:
Was kann man abschließend über "Limbus" sagen? Soundtechnisch bildet das Release definitiv den bisherigen Höhepunkt in Prezidents Diskographie. Noch nie waren die Beats, auf die er rappt, so hochwertig und musikalisch, aber gleichzeitig immer noch purer HipHop. Auch textlich hält das Niveau vergangener Werke an und selbst wenn 2016 alles mit mehr Leichtigkeit und ein bisschen kritischerem Humor ausgeschmückt wurde und die früher so häufigen Rundumschläge langsam aber sicher gezielten Beleidigungen weichen, so hat sich grundsätzlich im Hause Prezident nicht so viel verändert, wie man auf den ersten Blick vielleicht glauben mag. "Was arrogant geworden? Dir hätt' ich auch früher nicht die Hand gegeben" ("Halb so wild"). "Limbus" ist also schlicht und einfach ein großartiges Album, in welchem sowohl textlich als auch musikalisch fast alles stimmt. Wenn dann noch Absztrakkt und die Kamikazes mit wunderbaren Gastparts etwas Abwechslung hereinbringen, bleibt mir eigentlich nichts anderes übrig, als meinen imaginären Hut zu ziehen und gleich wieder zu Track 1 zurückzukehren.
El-Patroni (David)
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